Die Traditionsvereine

Turnverein 1874

Gründer des Arbeiterturnvereins 1924Der Turnverein 1874 war der erste Egelsbacher Sportverein. Er wurde am 15. August 1874 gegründet und gilt als erster Sportverein in Egelsbach und ist sozusagen der Urvater unserer heutigen Sportgemeinschaft, der SG Egelsbach. Das Gründungsprotokoll liegt leider nicht mehr vor. Die erste noch überlieferte Niederschrift stammt vom 11.04.1875 und soll wegen der für uns heute originell klingenden Sprache wiedergegeben werden: "Die Geräthe sind zu verackdiren an den wenigstnehmenden oder in Tagelohn zu übergeben. Um die nötigen Kosten zu bestreiten, muß ein jedes Mitglied so viel Monate voraus bezahlen als erforderlich sind bis zum 1. September 1875."

Auch aus dem Protokoll vom 01.06.1875 geht die damalige prekäre Finanzsituation des neugegründeten Vereins hervor. Der Mitgliedsbeitrag betrug 20 Pfennig und für die "Zöglinge" 10 Pfennig. Der Kassenbestand wurde 1879 mit 75,57 Mark angegeben. Es sind aus der damaligen Zeit genügend Fälle bekannt, dass man Mitglieder wegen Nichtbezahlens des Beitrags aus dem Verein "entfernen" musste. Wie straff die damalige Ordnung war, besagt ein Protokoll aus dem Jahre 1881, dass ein Mitglied, wahrscheinlich ein aktiver Turner, wegen dreimaligen Fehlens hintereinander aus dem Verein auszustoßen sei.

Turnverein-Musikkapelle 18901876 wurde nach mündlicher Überlieferung ein Spielmannszug gegründet. Die Turnplatzeinweihung fand am 20. Juli 1879 unter Beteiligung der Gesangvereine, der Spielleute des Vereins, Kriegervereine und Turnvereine der näheren Umgebung statt. Der Platz lag an der Rheinstraße gegenüber dem damaligen Vereinslokal - heute das Anwesen Knöß. Seit dieser Zeit wird alljährlich von einem An- bzw. Abturnen - im Winter war keine Übungsmöglichkeit vorhanden - sowie auch von verschiedenen Preisturnen mit abendlichem Ball berichtet.

Man sieht, die damalige Aktivität auf sportlichem und gesellschaftlichem Sektor war schon relativ groß. Dass ein Symbol im Verein natürlich nicht fehlen durfte war klar, und so wurde in einer Sitzung am 29.01.1882 beschlossen, eine Vereinsfahne anzuschaffen, die dann im festlichen Rahmen am 24.07.1883 eingeweiht wurde. Jedes Mitglied hatte zum Erwerb der Fahne einen Sonderbeitrag von einer Mark zu entrichten, ansonsten er unehrenhaft den Verein verlassen müßte. Die Langener Feuerwehrkapelle machte die Festmusik und erhielt für ihre 12 Mann 96 Mark. 1885 fand in Egelsbach ein Wettturnen statt, das von dem Gauvorsitzenden und Egelsbacher Kaspar Welz geleitet wurde.

Zur damaligen Zeit schon gehörten die Vereine "landschaftlichen" Verbänden an. So war der Turnverein von 1861 bis 1888 im Bergsträßer Bund, seit 1889 im Turnerbund Jahn, und trat 1905 dem Arbeiter-Turnerbund bei. Zweifellos bedeutete dies eine politische Orientierung im Vereinsleben. Am 2. August 1891 übertrug der Turngau Main-Rodgau dem TV die Ausrichtung eines Turnfestes, an dem sich auch die Turngemeinde 1885 beteiligte. Es wird von einem tollen Fest berichtet. Der Ort wurde mit Fichtenreisern und Birkenbäumchen geschmückt. Die Spielleute erhielten Achselstücke, die Festdamen als Schmuck silberne Eicheln mit grünen Laubblättern. In den Sälen des Vereinswirtes Johannes Becker und G. Feuerer fanden die Festbälle statt.

In den Jahren 1893-1895 gab es zwischen den in Egelsbach ansässigen Turnvereinen, dem Turnverein 1874 und der Turngemeinde 1885, Annäherungsbestrebungen, die allerdings wahrscheinlich wegen politischer Differenzen wieder aufgegeben wurden. Im Jahre 1895 bauten Vereinsmitglieder zum Unterstellen der Sportgeräte eine Hütte, wofür jedes Mitglied einen zinslosen Kredit von 3 Mark in die Vereinskasse zu zahlen hatte. Beim 25-jährigen Jubiläum im August 1899 weiß man zu berichten, dass der neue Vereinswirt Stiefel für jeden Hektoliter Bier, den er am Festplatz zapfte, zwei Mark in die Vereinskasse zu zahlen hatte.

Die Turnerinnen und Turner des TV um 1920Als im Jahre 1905 der Turnverein dem Arbeiter-Turnerbund beitrat, mussten die Vereinsstatuten geändert werden. Das Protokoll wurde von 78 Aktiven und 28 Zöglingen unterschrieben. Aus einer Niederschrift des Jahres 1906 ist zu ersehen, dass man alljährlich Theatervorführungen organisiert hatte und dies auch weiterhin tun würde. Auch eine Kreppelzeitung soll es bereits gegeben haben. Große Bedeutung scheint damals die Christbaumverlosung, die alljährlich durchgeführt wurde, gehabt zu haben, denn sie wird oft erwähnt. 1907 war es der Fußballclub 03 Egelsbach, der nachweisbar die erste Leichtathletik - Veranstaltung in Egelsbach durchführte. Im Jahre 1911 wurde eine Fußballabteilung gegründet, die auf dem Pachtgelände im Linden die ersten Kickversuche unternahm. Bereits auf dem Platz in den Büchen spielend - etwa bei den heutigen Bauernhöfen Best und Haas - nahm der Turnverein 1920 erstmals an Rundenspielen teil.

1915 kam es zur Gründung einer Handballabteilung. Zu den ersten Egelsbacher Ballwerfern zählten Philipp Thomin, Jakob Knöß, Karl Schlapp, Johannes Seng, Georg Sulzmann, Hermann Sulzmann, Johannes Löbig, Martin Rüster, Otto Brahm, Fritz Werkmann, Wilhelm Hofmann, Heinrich Knöß, Philipp Werkmann, Christian Wurm, Heinrich Anthes, Heinrich Becker und Otto Kühn. Spielpremiere war am 28. Juni 1923 in Langen beim Turnverein Vorwärts. Sie endete mit einer deftigen 0:9-Niederlage für Egelsbach. Bis zum ersten Sieg verging noch eine Weile. Aber so genau weiß das heute niemand mehr. Den Egelsbacher Handballern stand in jener Zeit noch nicht mal ein Sportplatz zur Verfügung. Jedes Spiel musste auswärts ausgetragen werden. Mangels Fahrrädern und anderer Verkehrsmittel wurde jeder Spieltag auch zu einem Wandertag. "Auf den Büchen", die heute den Flugplatz beheimaten, pachteten sie die "Dunsenbachwiesen" und richteten einen für damalige Verhältnisse recht brauchbaren Sportplatz her. Der ordnungsgemäße Spielbetrieb konnte beginnen.

Über das Fest zum 40-jährigen Bestehen im Sommer 1914 wird berichtet, dass auf dem Festplatz an der Wolfsgartenstraße (gegenüber dem Forsthaus) - weit außerhalb des Ortes - eine tolle Feststimmung herrschte, als das Fest durch ein starkes Unwetter jäh unterbrochen wurde. Während der Festtage wurde auch ein Bezirkssportfest veranstaltet.

Während des ersten Weltkrieges ruhte das Vereinsleben und danach kam der Wiederaufbau nur zögernd voran. Die Fahrten in die Umgebung waren wegen der französischen Besatzungszone unmöglich. Da einige Sportarten verboten waren, nahm der Turnverein 1921 den Namen "Arbeiter Turn- und Sportverein" an. Es erfolgte ein Zusammenschluss mit den anderen Arbeiter-Sportvereinen im "Arbeiter-Sportkartell" Egelsbach. Die bürgerlichen Vereine schlossen sich in der "Arbeitsgemeinschaft für Gesang und Körperpflege zusammen. Bürgerliche und proletarische Vereine waren klassenbewusst voneinander abgegrenzt.

Aus einem Leserbrief in der hiesigen Zeitung zur Gründung des Sportkartells: "Auch beim Sport soll man als Arbeiter daran denken, dass wir die Klasse der Ausgebeuteten und Unterdrückten sind, und deshalb ist es eines Arbeiters unwürdig, Sport mit seinen Ausbeutern zusammen in einem Verein zu treiben."

1922 nahm eine Abordnung am Arbeiter-Bundestreffen in Leipzig teil. Dass zu dieser Zeit die Leichtathleten (Volksturner) schon rührig gewesen sind, geht aus der Meldeliste für die Teilnahme an der Arbeiterolympiade 1925 in Frankfurt/ Main hervor. Die Fußballer spielten in der Bezirksklasse des "Arbeiter Turn- und Sportbundes". Es fehlte an einem geeigneten Sportplatz in Ortsnähe und man fand schließlich ein Gelände im "Büchen", etwa dort, wo heute die Aussiedlerhöfe Haas und Best liegen. An einen geregelten Trainingsbetrieb konnte man bei dieser Entfernung kaum denken. Die einzigen regelmäßigen Zusammenkünfte, außer den Spielen, waren die Spielersitzungen im Vereinslokal Stiefel in der Rheinstraße, dem heutigen Anwesen Nr. 36. Höhepunkte waren in diesen Jahren Begegnungen mit einem Stuttgarter und einem Chemnitzer Verein.

Die finanzielle Misere jener Zeit ging an den Fußball-Idealisten des Turnvereins nicht vorüber, musste doch jeder Spieler seine komplette Ausrüstung selbst bezahlen und zudem noch für das Fahrgeld bei den Auswärtsspielen aufkommen. So blieb es nicht aus, dass der eine oder andere die Fußballstiefel an den berühmten Nagel hängte. Deshalb war es besonders wichtig, dass es dem Vorstand 1926 gelang, den Turnplatz zu verkaufen und unter großen finanziellen Opfern ein Gelände in der Nähe des Eigenheims zu kaufen, aus dem in Eigenhilfe ein Sportplatz gemacht wurde. Ein Jahr später wurde er festlich seiner Bestimmung übergeben. Damit verbunden war ein ungeheurer Aufschwung. Eine erste, zweite und dritte Mannschaft nahm den Spielbetrieb auf, und auch die Jugendarbeit wurde forciert.

Der Erfolg blieb nicht aus. 1931, nachdem man in die höchste Spielklasse aufgestiegen war, gelang erneut die Meisterschaft. Die Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft des "Arbeiter-Turnund Sportbundes" verbauten damals lediglich die "Freien Turner" aus Frankfurt-Bornheim. Große Spiele gab es gegen eine Schweinfurter, eine Düsseldorfer und eine Münchner Elf, und auch mit ausländischen Mannschaften gab es Treffen. Wien, Brüssel und die Tschechen aus Teplitz-Weiskirchlitz waren prominente Gegner.

Als dann Anfang der 30iger Jahre die Arbeitslosigkeit zunahm, gingen dann auch die Beitragszahlungen zurück und der Verein befand sich in großen Schwierigkeiten. 1933 kam der Erlaß der Reichsregierung, alle Arbeiter-Vereine zu verbieten und das Vermögen zu konfiszieren. Hiervon waren in Egelsbach der "Arbeiter Turn- und Sportverein", der "Arbeiter Radfahrverein 'Solidarität'", "Arbeiter-Samariter-Bund", "Volkschor", "Touristenverein Die Naturfreunde" betroffen. Kurz vor seinem 60-jährigen Bestehen wurde ein jähes Ende bereitet. Die Vereinsfahne kam in die Obhut der Turngemeinde 1885, zu der auch der größte Teil des aktiven Stammes der Turner und Handballer übertrat. Die Fußballer schlossen sich in der Mehrzahl dem Egelsbacher Fußballclub FC 03 an. Die Instrumente des Spielmannszuges gingen nach Langen, wurden aber sehr bald wieder zurückgeholt und der Freiwilligen Feuerwehr zugeteilt.