Die Turngemeinde 1885

Als Gegenpol zum linksorientierten Arbeiterverein, dem Turnverein 1874, wurde am 9. Februar 1885 in Egelsbach ein freier Verein „zur sportlichen Betätigung im deutschen Sinne" gegründet.

Im Gründerjahr zählte der Verein 45 Mitglieder. Dass auch die Turngemeinde unmittelbar nach der Gründung einen Spielmannszug ins Leben rief, geht aus dem Beschluß vom 05.02.1887 hervor, einen Schrank anzuschaffen, um die zum Spiele gehörenden Instrumente aufbewahren zu können. Anfänglich sollen es vier bis acht Spielleute gewesen sein. Die Einweihung des Turnplatzes an der Ostendstraße im Jahre 1887 war das erste größere Fest, das erwähnt wurde. Der Turnplatz selbst wurde mittels eines Darlehens eines Vereinsmitgliedes in Höhe von 400 Mark finanziert.

Im Juli 1889 hatte der Verein seine erste Bewährungsprobe zu bestehen, als die Deutsche Turnerschaft, in der man Mitglied war, der TG die Ausrichtung des Gaufestes des Turngaues Melibokus übertrug, an dem sich auch der Turnverein 1874 beteiligte. Dass auch damals die Leichtathletik schon gepflegt wurde, geht aus der Meldeliste für das Feldbergfest am 17.08.1890 hervor, zu dem der Verein u.a. auch 4 sogenannte Volksturner entsandte.

Es war klar, dass im Verein ein Symbol nicht fehlen durfte, und so wurde am 12. Juli 1891 eine feierliche Fahnenweihe vorgenommen. Anscheinend hatten die Sportfreunde aus dem zweiten Egelsbacher Verein manche Veranstaltungen der Turngemeinde boykottiert, denn aus einigen Niederschriften geht die frostige Atmosphäre zwischen diesen beiden Vereinen hervor.

Im Jahre 1896 berichtet ein Protokoll über Initiativen zu einem Turnhallenbau, was man allerdings aus finanziellen Gründen und sicher auch wegen mangelnder Übereinstimmung der Egelsbacher Vereine im Jahre 1899 wieder fallen ließ. Sicherlich wegen der guten Organisation bei dem Gaufest zwei Jahre zuvor, war wiederum die TG Ausrichter eines Gaufestes im Sommer des Jahres 1901. Dieses Mal trafen sich die Turner des Main-Rhein-Gaues in Egelsbach.

Die erste größere Fahrt, die der Verein seit der Gründung einer Urlaubskasse im Jahre 1904 unternahm, war 1906 eine Fahrt an das Niederwalddenkmal, für die vaterländisch konservative Gesinnung der Vereinsführung bezeichnend.

Im Jahre 1908 kam es in einigen Sitzungen zu erregten Auseinandersetzungen, als einige Mitglieder anregten, aus der Deutschen Turnerschaft auszutreten und Mitglied der freien Turnerschaft zu werden. Sicher waren auch hier politische Hintergründe vorhanden. Die TG führte damals eine Satzungsänderung durch, in der zum Ausdruck kam, daß alle Mitglieder, die ein ähnliches Ansinnen an die Vereinsführung stellten, als Aufwiegler betrachtet und aus dem Verein ausgeschlossen werden. Dieser Antrag wurde auch gerichtlich eingetragen. Den Abmeldungen wegen dieser Kontroverse stand allerdings eine große Anzahl von Neuanmeldungen gegenüber. Diese Passage sollte eigentlich nur dokumentieren, wie stark damals die politische Orientierung in den Vereinen Platz griff.

Beim Deutschen Turnfest im Jahre 1908 in Frankfurt/Main marschieren unter den 5000 Turnern auch 25 Turner aus der Turngemeinde hinter ihrer Fahne in das Stadion ein. Aus den Niederschriften des Jahres 1910 geht hervor, dass man das 25-jährige Jubiläum der Turngemeinde 1885 festlich und im gemäßen Rahmen beging. Das dreitägige Fest wurde am Samstagabend mit einem Fackelreigen eröffnet.

Auch in der Turngemeinde ruhte während der Zeit des ersten Weltkrieges jegliche Aktivität. Sofort nach dem Kriege wurde der Wiederaufbau zügig vorangetrieben. Man schenkte der Breitenarbeit eine erhöhte Aufmerksamkeit. Ein erster Erfolg war, dass 1919 eine Turnerinnen-Abteilung ins Leben gerufen wurde und 1923 sogar ein Gaufrauen-Turnfest in Egelsbach stattfand. 1923 wurde eine Handballabteilung gegründet.

Anläßlich des 40-jährigen Jubiläums fand 1925 ein großes Fest statt, das unter dem Motto „Turnen ist Arbeit im Gewand der jugendlichen Freude" stand. Im Jahre 1927 wurde dann ein Platz am Mühlweg errichtet, der ein Jahr später unter dem Namen Jahn-Platz eingeweiht wurde. Die Jahneiche steht heute noch an der B3 Rolladen-Schneider. In den 30iger Jahren beteiligte sich der Verein regelmäßig mit gutem Erfolg an verschiedenen Wettkämpfen. Auch wurde von den Handballern Tischtennis gespielt.

Mit der Machtübernahme durch Hitler wurden alle sporttreibenden Vereine, mit Ausnahme der Arbeitervereine, die verboten wurden, von dem Reichsbund für Leibesübungen (NSRL) übernommen. Durch das Verbot des Turnvereins 1874 bekam im gleichen Jahr die TG einen nicht unwillkommenen Zuwachs an Aktiven. In der Hauptsache waren es Turner, Leichtathleten und Handballer. Für die letzteren bedeutete dies einen enormen Aufschwung, der dann auch prompt zur Meisterschaft und zum Aufstieg in die Meisterklasse führte. 1939 schaffte man sogar den Aufstieg in die oberste deutschen Spielklasse, in die Gau-Liga Südwest. Mit Ausbruch des Krieges im September 1939 wurde auch die Handballmannschaft auseinandergerissen.

Kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges führte der Verein noch eine größere Veranstaltung anläßlich des 20jährigen Bestehens der Turnerinnen-Abteilung bzw. 10-jährigen Bestehens der Frauenabteilung durch.

Nach dem Kriege wurde durch die Besatzungsmacht zunächst jegliche Vereinstätigkeit verboten und das Vermögen des Vereins beschlagnahmt. Mit der Gründung der Sportgemeinschaft Egelsbach wurde auch die Turngemeinde 1865 nach mehr als 60-jähriger ununterbrochener Vereinstätigkeit in die neu gegründete Sportgemeinschaft integriert.